Als langjährige Mitstreiterin der Global Marshall Plan Initiative, engagiere ich mich – privat als auch beruflich – für das Fördern eines wachsenden globalen Bewusstseins. Wichtig ist für mich hierbei, dass es um weit mehr als das Klima geht. Es geht um das Schaffen eines Bewusstsein für das „Big Picture“, sich vom hier und jetzt wichtigen zu distanzieren, und eine globale Perspektive einnehmen zu können. Denn nur dann sind wir in der Lage Herausforderungen in ihren tatsächlichen Dimensonen zu begreifen und entsprechend zu handeln. Denn alle Menschen sollten das Recht auf ein würdevolles Leben haben.
Global Citizenship Education Workshop – Eine Art Global Marshall Plan Academy*
Am 31. Januar organisierte und moderierte ich einen Global Citizenship Education Workshop, diesmal in Phnom Penh, Kambodscha. Meine Teilnehmenden waren die 28 Mitarbeitenden meiner Partnerorganisation, die ich im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes berate und unterstütze. Der Workshop fand im Rahmen einer Serie von MitarbeiterInnen-Fortbildungen statt. Das Vorwissen meiner Kolleginnen und Kollegen war divers, von der Hilfkräften über ProjektassistentInnen, Projekt Officern und Managern. Ebenso wie bei der Global Marshall Academy waren die Teilnehmenden sehr unterschiedlichen Alters, zwischen 20 und 40 Jahre alt.
Das Konzept meiner Workshops besteht aus Elementen der Global Marshall Plan Academy und weiteren Methoden und Inhalten aus dem Fachgebiet der Global Citizenship Education. Den Ablauf, die Methoden und die Inhalte passe ich jeweils an den Kontext und die jeweilige Zielgruppe an, weshalb kein Workshop exakt dem anderen gleicht. Beginnen tue ich jedoch oftmals mit dem Planspiel Fishbanks, welches sich in allen Kontexten gleichermaßen bewährt hat.
Fishbanks in Kambodscha
Was gilt es hier zu beachten? Erst mal nichts, einfach machen und schauen was passiert. Das tolle bei diesem bewährten Global Marshall Plan Spiel ist, dass es stets eine eigene Dynamik entwickelt. Es hängt von der moderierenden Person und den Teilnehmenden ab, ob eine gemeinsame Basis für weitere Diskussionen des Tages geschafft werden kann oder nicht. In Kambodscha gilt Fisch als eines der Hauptnahrungsmittel. Alle essen täglich mindestens einmal Fisch. Fischsuppe am morgen oder gegrillter Fisch zum Mittag- oder Abendessen. Wer sich keinen Fisch leisten kann, leidet oft unter Mangelernährung, da das Lebensmittelangebot nicht ausreichend und divers ist. Vor allem Kambodschanerinnen und Kinder unter fünf Jahren leiden unter Mangelernährung. Vegetarismus oder gar Veganismus kann in diesem Kontext also schwerlich als politische Handlungsmöglichkeit gepriesen werden.
Stattdessen entfachte eine Diskussion zum schwindenden Fischbestand des Tonle Sap, dem größten Süsswassersee Südostasiens, der sich in Kambodscha befindet. Von hier aus konnte die Diskussion zum Kampf um Rohstoffe und Ressourcen in Kambodscha geleitet werden. Es wurde diskutiert inwiefern der Fischbestand von vietnamesischen MigrantInnen gefährdet würde, wodurch wir das Thema Fremdenfeindlichkeit und Migrationsbewegungen anschnitten. Waldrodungen hierzulande konnten in Verbindung mit dem Waldbränden des Amazonas gebracht werden, womit das Globale auf den Radar der Teilnehmenden kam. Die Korruption und Ausbeutung durch die autoritäre Regierung des Landes – die Dominanz der mächtigen Elite – konnte mit dem Handeln einzelner global agierenden Regierungen und Akteure verglichen werden.
Globale Zusammenhänge und Herausforderungen verstehen
Im nächsten Schritt sprachen wir die Errungenschaften der Globalisierung und neuer Technologien wie das Internet an, gefolgt von den Tücken der Globalisierung und ihren Folgen. Geinsam evaluierten wir verschiedene Weltkarten (worldmapper.org, Steretype-Weltkarten, unterschiedlich zentrierte Karten je nach Weltregion usw.) und diskutierten deren Herkunft und Absicht. Die kritische Reflexion und das Infragestellen von präsentierten Inhalten ist nicht Gang und Gebe in Kambodscha. Kritisches Denken gilt hierzulande als politisch und wird von der dominierenden Partei als gefährlich eingestuft. Solcherlei Diskussionen können ausschließlich in geschlossenen und sicheren Räumen stattfinden. Das kritische infragestellen des Systems begeisterte einige der Teilnehmenden außerordentlich, während anderen – abhängig von den individuellen Kompetenzen – das Klima als greifbare Herausforderung und Partizipationsthematik relevant erschien.
Wir beschäftigten uns mit dem Weltbevölkerungswachstum, die Beziehung zum Konsum und Konsequenzen für das Ökosystem. Erstaunlicherweise waren die Teilnehmenden sehr überrascht, dass neben China, auch Europa und Nordamerika zu den globalen Übeltätern gehören. Den Teilnehmenden war nicht klar, dass die vergleichsweise wenigen Menschen in Europa und Nordamerika überproportional viel konsumieren. Globale Ungerechtigkeiten veranschaulichte wir zusätzlich an der Kleidungsindustrie, da diese mit mehr als 800.000 MitarbeiterInnen eine enorme wirtschaftliche Kraft in Kambodscha darstellt. Das Spannungsfeld des Brotwerwerbs in Asien und die europäische Kritik am Konsum von Fast Fashion war nicht für alle Teilnehmenden nachvollziehbar.
Selbstverständnis als Weltbürger und das Konzept der Global Citizenship Education
Zu Beginn des Workshops brainstormten wir, was wir unter dem Begriff Global Citizen verstehen. Nach den obigen Programmpunken stellte ich dann das Konzept der UNESCO vor, ebenso das Instrument der Global Citizenship Education. Dieses eint zunächst die Friedenspädagogik, das Globale Lernen, die Menschenrechtsbildung und die Interkulturelle Bildung, um diese im nächsten Schritt um eine globale Perspektive zu erweitern. Ziel war es dabei einerseits eine Identität als Global Citizen anzunehmen und andererseits die Maßnahme eines Konzepts kennenzulernen, welches in bestehende Bildungsprogramme der NGO aufgenommen werden kann.
Doch wie können die systemisch bedingte Herausforderung angehen?
Zur Auflockerung nach der Mittagspause spielten wir gemeinsam ein Klimaspiel, welches 28 Handlungsmöglichkeiten für Einzelpersonen veranschaulicht. Hierbei war ich überrascht wie wenig meine KollegInnen über das Thema wissen. Man war sich klar, dass Plastikvermeidung wichtig ist und Recycling wünschenswert, doch nicht mit wie vielen kleinen weiteren Aktionen ein Beitrag geleistet werden kann. Aus 30 Minuten wurden somit 90 und wir waren mindestens 20 Aha-Momente weiter.
Im weiteren Schritt teilte ich die Teilnehmenden in 6 Gruppen, die jeweils ein für unsere NGO wichtiges Sustainable Development Goal (SDG) bearbeitete. Was können wir im Alltag tun um die Erreichung des Ziels zu unterstützen? Und was können wir als Organisation tun? Themen waren hierbei Geschlechtergleichberechtigung, Frieden, Konsum, Soziale Ungleichheit, Sauberes Wasser/ Sanitärversorgung und Leben unter Wasser. Begeistert stürzen sich die Teilnehmenden auf diese Aufgabe und fanden zahlreiche Maßhnahmen, die im eigenen Alltag und in der Arbeit realisiert werden können – ganz im Spirit eines Global Citizens.
*Die Global Marshall Plan Academy ist das Vorgängerkonzept unserer SDG Sessions und beinhaltet alle wichtigen Trainigseinheiten der Academy. Die SDG Ssessions konzentrieren sich vermehrt auf die – auch praktische – Umsetzung der Sustainable Development Goals.
Gisela Wohlfahrt arbeitete vom März 2011 bis September 2013 als Koordinatorin der Initiative bei der Global Marshall Plan Foundation in Hamburg. Ab 2004 engagierte sie sich bereits in der Global Marshall Plan Hochschulgruppe Karlsruhe und untersützt die Initiative bis heute als Multiplikatorin. Aktuell ist sie im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) in Phnom Penh, Kambodscha, tätig, wo sie eine NGO bei der Planung und Umsetzung friedenspolitischer Trainings für Jugendliche und junge Erwachsene berät und unterstützt.